Schlimmer geht nimmer

Logo mit Hund

Jamie hat sich beim letzten Praxiseinsatz von seiner schlechtesten Seite gezeigt. Dazu mussten wir noch nicht einmal die Räumlichkeiten der Psychiatrie in dem Krankenhaus betreten. Es war mit den Praxisanleiterinnen, zwei Psychologinnen, vereinbart, dass wir uns im Krankenhauspark treffen. Die Hunde sollten noch die Möglichkeit haben, sich zu beschnuppern.

Die weiße Zwergpudeldame war Jamie anscheinend zu schüchtern. Aber die selbstbewusste Mops-Hündin hat sofort sein Herz erobert – leider nicht nur sein Herz. Er war ständig hinter ihr her, hat sie beschnuppert und abgeleckt und – das war das erste Mal, dass ich das bei Jamie beobachten konnte – hat dauernd versucht sie zu besteigen.

Aber das Schlimmste kommt noch: Jamie pinkelte zweimal die Gummistiefel einer der Psychologinnen an. Ich konnte es nicht fassen! Ich wäre vor lauter Peinlichkeit am liebsten davon gelaufen.

Wir machen das Beste daraus

Ganz wie erwartet war dann auch drinnen nichts mehr mit ihm anzufangen. Kein Stöckchen, kein Ball, kein Suchspiel war interessanter als die Mops-Dame.

Neun Männer und Frauen mit unterschiedlichem Alter und verschiedenen psychischen Erkrankungen waren zur tiergestützten Therapie gekommen. Aber ich musste ihnen sagen, dass mein Hund so aufgeregt ist, dass die vorbereiteten Übungen nicht durchzuführen wären.

Also übernahmen die Betreuungsteams die Leitung und versuchten das Beste aus der Misere zu machen. Sie fragten die Patienten, woran man erkennen kann, dass Jamie gerade ziemlich gestresst war. Ich war überrascht, wie gut die Beobachtungen waren. Sie erkannten nicht nur die offensichtlichsten Anzeichen wie Winseln und Zittern. Es fiel ihnen auch auf, dass sich Jamie ständig über das Maul leckte, gähnte, stark hechelte, sich kratzte und nicht mehr aufnahmefähig war.

Wir begannen trotzdem behutsam, ihn in die Arbeit miteinzubinden. Und dann taute er zwischendurch ein wenig auf. Er war sogar bereit, sich vor jeden Patienten hinzusetzen und hinzulegen und sie durften ihn dann mit einem Leckerli belohnen. Auch über Beine springen oder unter Beine durchlaufen war möglich. Dann durften die PatientInnen sich gegenseitig Leckerli auf den Körper legen, die die Hunde suchen und fressen durften. Ich war überrascht, dass kein einziger Patient Angst hatte. Obwohl sie Jamie nicht kannten, ließen sich einige sogar das Leckerli abnehmen, das auf dem Hals(!) platziert worden war.

Die Teilnehmer machten unter der Anleitung der Psychologinnen wunderbar mit – waren interessiert, einfühlsam und verständnisvoll. Und ich hatte den Eindruck, dass sie trotz allem von der Therapieeinheit profitieren konnten: Die Übungen umfassten die Förderung der Beobachtung, der Wahrnehmung, der Kommunikation und des Einfühlungsvermögens.

Schlecht gelaufen

Dennoch war der Einsatz – nicht nur für Jamie – Stress pur. Auch ich war nach der Stunde so kaputt, als hätte ich Schwerstarbeit geleistet.  Das Gefühl der Hilflosigkeit machte mich fertig. In solchen Situationen kann ich nichts tun, was die guten Seiten meines lieben Hundes – sein freundliches, fröhliches, verspieltes Wesen – zum Vorschein bringen lässt. Es tut mir weh, dass Jamie als hormongesteuerter, nervöser Rüde und ich als schwaches, unfähiges Frauchen wahrgenommen werden.

Zum wiederholten Mal ist an diesem Tag erneut die Frage aufgetaucht: „Warum lässt du ihn denn nicht kastrieren?“ Dieses Thema hatte ich nach viel Grübeln, Literaturrecherche und Gesprächen mit Fachleuten schon abgehackt. Nach einem fast einstündigen Gespräch mit der Tierärztin (unentgeltlich!) – noch am selben Tag – habe ich eine Entscheidung getroffen.

 

Einen erfolgreichen Tag!

Logo – mit Hund!


Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Durch die weitere Nutzung der Seite stimmst du der Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn du diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwendest oder auf "Akzeptieren" klickst, erklärst du sich damit einverstanden.

Schließen